Küchengespräche mit Matteo (Latium)

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Hier stelle ich euch die Küchengespräche mit Matteo (Latium) vor. Matteo ist aus Rom. Und weil ich weiß, dass er ein Liebhaber der regionalen Küche ist, konnte ich mir keinen besseren für das Interview über die römischen Küche vorstellen.

Hier gibt es die Küchengespräche mit Matteo (Latium) in Originalsprache:

Ecco l’intervista in italiano: Food Interview con Matteo del Latio

Findet ihr im Interview fett gedruckte Worte, sind diese im Anschluss daran näher erläutert!

Ciao Matteo!

Erzähl uns doch mal ein wenig darüber, wer du bist und wo du aufgewachsen bist.

Ich bin vor 30 Jahren in Rom geboren und hab dort bis zu meinem 26. Lebensjahr gelebt. Ich verließ Rom auf der Suche nach neuen Reizen, vor allem am Arbeitsplatz und mit dem Wunsch neue Erfahrungen zu sammeln.

Zur Zeit lebe ich in Siena, wo ich als Arzt arbeite. Dabei bin ich seit einigen Jahren zwischen Mailand, Siena und Rom unterwegs: In Mailand lebt meine Freundin, da werde ich wahrscheinlich auch bald hinziehen. In Siena arbeite ich und in Rom habe ich Freunde und viele gute Erinnerungen hinterlassen.

Was bedeutet Essen für dich?

Das Leben besteht aus kleinen Freuden, und Essen ist sicherlich eine davon. Aus diesem Grund denke ich, dass jeder Grundkenntnisse über dieses Thema haben sollte. Für mich ist Essen die Realität, die uns umgibt und uns repräsentiert. Essen bedeutet Geschichte, Erfahrung und Arbeit, es ist für mich etwas, das ich Tag für Tag wertschätzte und niemals für selbstverständlich halte. Es ist auch der erste Aspekt, den ich in einem Land betrachte, das ich besuche. So kann ich die Bräuche und Erfahrungen, die das Leben an einem Ort mit sich bringt, im Vergleich zu anderen Orten aus erster Hand verstehen.

Kochst du gerne?

Ja! Ich hab großen Spaß daran. Ohne es zu merken, vergesse ich alles um mich herum, wenn ich anfange zu kochen. Sicherlich entspannt es mich und ermöglicht mir Spaß zu haben, denn das Wissen, wie man mit Rohstoffen umgeht und sie schätzt, ruft unterschiedliche Emotionen in uns hervor. Ich habe in der Pubertät angefangen zu kochen, weil ich bemerkt habe, dass nach meinen Großeltern und meiner Mutter niemand wirklich in der Lage war, mir die Traditionen unserer Küche zu vermitteln.

Welchen Wert hat Essen in Deiner Familie?

Ich hab das Glück, eine Familie mit ihren Höhen und Tiefen zu haben. Essen ist ein Moment der Begegnung, das Tag für Tag geschätzt wird. Es bringt uns zusammen und erlaubt uns, uns miteinander auseinanderzusetzen. Am Tisch reden wir oft über Essen und wir diskutieren darüber! Bei mir zuhause sind wir ein bisschen auf dieses Thema fixiert. Meine Freundin macht sich oft über mich lustig, weil sie sagt, dass ich in der Küche zu sorgfältig und pingelig bin, wie ich es auch in der Arbeit bin.

Was sind typische Gerichte aus Deiner Region?

  • Diese Frage ist schwierig und ein bisschen zu allgemein… In meiner Region lassen sich hauptsächlich Rezepte auf der Basis von Innereien finden, das berühmte fünfte Viertel. Typisch ist auch die Verwendung von Fleisch wie Lamm. Auch wenn es heutzutage immer schwieriger ist, dieses lokal zu finden ist. Weiters ist „la Porchetta“ (das Spanferkel) sehr bekannt.
  • Dazu kommt die Minestrone aus Pasta, Brokkoli und Arzilla, einem Fisch. Ist die Rede von Pasta, dürfen Bucatini all’Amatriciana natürlich nicht fehlen. Wobei sich hier die Geister scheiden: Es wird diskutiert, ob sie „rot“, also mit Tomaten oder „weiß“, „alla Griscia“ verzehrt werden.
  • Im Allgemeinen sind frittierte Gerichte in Rom und dem Latium zu Hause. Ein frittiertes Gericht aus „Animelle“ (Kalbsbries), Gehirn und Artischocke ist eine Delikatesse! Einst wurde auf der Straße frittiert. Heute gibt es nur noch den „Filettaro“, wo „Filetti di Baccalà“ gemacht werden. Der ist auf der Librari in Rom zu finden.
  • Die repräsentativsten Gemüsesorten sind sicherlich Artischocken, „alla romana“ oder „alla giudia“ oder die „Puntarelle“ (Chicorée) ohne die frischen, römischen Fave zu vergessen, die ein großer Begleiter des authentischen „Pecorino Romano“ ist.
  • Es müssen auch die „Suppli al telefono“ genannt werden und „la pinsa“, die römische Pizza.
  • „Maritozzi“ (Süße Germteigbrötchen, gefüllt mit gezuckertem Schlagobers) oder „la pizza di Civitavecchia“ (Hefekuchen) sollten als Desserts erwähnt werden.

Hast du ein Lieblingsrezept aus deiner Kindheit?

Auch das ist eine sehr schwierige Frage! Wenn ich nur ein einziges Gericht nenne, hätte ich das Gefühl, andere zu hintergehen … unumstritten sind: mit Reis gefüllte Tomaten, „i Supplì al telefono“ und Kabeljaufilets. Das Rezept, mit dem ich am meisten verbunden bin und das auch das einfachste ist, ist die Jause, die mir meine Großmutter gemacht hat… „la mollica con lo zucchero“, das ist eine mit Wasser benetzte und mit Zucker bedeckte Brotscheibe. Einfach, arm, aber sehr lecker für ein kleines Kind!

Wer ist der beste Koch/die beste Köchin für dich?

Meine Großmutter war die beste Köchin, die ich je getroffen habe. Die Rezepte bereitete sie auswendig zu und sie war freiwillig oder unfreiwillig von äußerster Präzision. In ihren Rezepten gab sie ihr Leben und die Opfer der Vergangenheit weiter.

Welche Zutat darf in Deiner Küche niemals fehlen?

Ich würde sagen Olivenöl. Außerdem hätte ich immer gern ein schönes Stück Pecorino und Schweinebacke im Kühlschrank.

Was darf niemals auf dem Tisch fehlen?

Zweifellos würde ich BROT sagen. Geröstetes Brot mit ein wenig Olivenöl ist ein unglaublich leckeres Gericht, das ich jeden Tag essen könnte.

Was macht die italienische Küche für Dich so besonders?

Die italienische Küche hat das Glück sehr reichhaltige und abwechslungsreiche Rohstoffen zu haben. Das ist ein großer Punkt zu unseren Gunsten.

Ich hingegen möchte mich auf unsere Geschichte konzentrieren. Denn ich denke, ihr ist es zu verdanken, dass wir in den Augen anderer einzigartig sind. In Rom und seiner Umgebung gibt es eine Reihe von Speisen, die niemals geboren worden wären, wenn in unserer Geschichte nicht lange Zeit ein großer Unterschied zwischen dem Wohlstand der Kirche und dem Elend bestanden hätte. Die Stadt, wie auch ihre Küche ist für mich einzigartig, weil sie ewig und stärker ist als diejenigen, die heute versuchen, sie zu verringern.

Was würdest du kochen, um jemanden damit zu beeindrucken?

Ich kann euch sagen, dass ich meine Freundin mit einer Amatriciana beeindruckt habe!

Welche Art von Pasta ist deine absolute Lieblings-Pasta?

Auf jeden Fall Fettuccine. Wie diese das Sugo aufnehmen, ist für mich einzigartig.

Was würdest Du Nicht-Italienern über italienisches Essen sagen? Auf was sollten Sie achten, was sollten Sie vermeiden?

Inzwischen gibt es Verbände und kontrollierte Marken, die die Rückverfolgbarkeit der Lebensmitteln kennzeichnen. Also würde ich ihnen sagen, dass sie zuerst die Produktbeschreibung genau lesen sollten und dann erst das Produkt kaufen sollten. Leider ist es nicht immer das Beste, den Menschen zu vertrauen, auch wenn dies am einfachsten wäre.

Auf Eatalicious gibt es typische italienische und österreichische Rezepte. Gibt es ein Rezept, das du gerne auf Eatalicious sehen würdest?

Supplì al telefono! Ich bin überzeugt, dass nur wenige Menschen den Unterschied zwischen Supplì und Arancini verstehen und die wahre Essenz dieses einzigartigen Street Foods begreifen!

Das waren die Küchengespräche mit Matteo (Latium).

Il quinto quarto

Wird ein Tier geschlachtet, wird es in vier Viertel unterteilt: zwei aus dem vorderen, zwei aus dem hinteren Bereich. Das fünfte Viertel ist das, was überbleibt. Also die Eingeweide und andere Teile, die nicht wertvoll, aber ebenso essbar wären wie Kopf, Schwanz und Beine.

Historisch betrachtet gibt es in Rom viele Gerichte, die aus dem sogenannten quinto quarto zubereitet werden. Ursache dafür ist die lang vorherrschende Armut.

Heutzutage ist das quinto quarto wieder groß in Mode. Denn während es sich beim Konzept „0 Kilometer“ darum handelt, dass Nahrungsmittel möglichst aus dem Ort des Konsumenten stammen, wird beim Konzept des fünten Viertels auch noch darauf geachtet, dass vom geschlachteten Tier auch alles verwertet wird.

Supplì al telefono

Das sind frittierte Reiskrokretten. Sie können als Vorspeise oder Zwischenmahlzeit serviert werden. Innen findet sich Mozzarella. Daher auch der Name Supplì al telefono! Er spielt auf die Telefonschnüre aus Mozzarella an, die beim Aufbrechen oder Abbeißen entstehen.

Matteo betont den Unterschied zwischen den römischen Supplì und den sizilianischen Arancini! Aber was macht diesen nun aus??

  • Das Erste, das ins Auge sticht, ist die unterschiedliche Form der beiden Gerichte. Supplì haben eine längliche, abgeflachte Form, während Arancini je nach Füllungsart rund oder konisch sind.
  • Ein zweiter Unterschied ist die Verwendung der beiden Gerichte. Supplì werden als modernes Street Food oder Vorspeise im Restaurant gegessen. Arancini können Snack, Vorspeise, erster Gang oder komplettes Gericht darstellen.
  • Ein dritter Unterscheidung ist, dass Supplì aus Reis bestehen, der mit Tomatensauce vermischt wird. Sie sind innen also immer rot. Arancini hingegen können zwar mit Sugo gefüllt sein, müssen es aber nicht, da es zahlreiche verschiedene Variationen gibt. Typisch sind die Version mit Fleischsauce oder weißem Reis, Prosciutto cotto und Béchamelsoße. Neben den beiden traditionellen Varianten gibt es auch weitere Versionen mit Pistazienpesto, Lachs, Hähnchen, Schwertfisch oder süße Versionen mit Nutella, Schokolade oder Ricotta.

Bildherkunft: Das Bild, das ich für diesen Beitrag hergnommen habe, stammt von Giallo Zafferano!

5 Gedanken zu “Küchengespräche mit Matteo (Latium)

  1. Petra Binder

    Sehr gut der Beitrag… fast philosophisch… so viele Gedanken zum Essen, der Herkunft der Speisen, zu den Personen, die sie zubereiten und schließlich das Hintergrundwissen, sehr beachtlich!!

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